Auszug aus Faccani 2009 Abgegangene Bauten, 3-7:
"I Barfüsserkirche
Eigentümerin der heutigen Parzelle: Einwohnergemeinde SchaffhausenBK-Nr.: 689GB-Nr.: -
1 Grundlagen
Hauptgebäude des mitten in der Stadt Schaffhausen stehenden Franziskanerklosters war die Klosterkirche. Sie schloss das Klostergeviert am Südrand ab (Abb. 3). Bis 1529, d.h. bis zur Aufhebung des Klosters gehörte die Kirche als Teil des Klosters den Franziskanern. Danach ging sie zusammen mit dem gesamten Klostergut an die Stadt über.
Von der Klosterkirche sind im 19. Jahrhundert mehrere Aussenansichten entstanden (Abb. 4, 6–8). Hervorzuheben sind die Bleistiftskizzen von Johann Jakob Beck (* 1786, † 1868). Es handelt sich z.T. um eigentliche Bauaufnahmen, die mit Massen versehen sind (Abb. 7–10). Wohl auf diesen Aufnahmen basiert ein Rekonstruktionsgrundriss von Hans Wilhelm Harder (* 1810, † 1872). Sowohl Beck als auch Harder kannten Reste der Klosterkirche noch aus eigener Anschauung. Eine Innenansicht von Beck gibt zudem einprägsam den Zustand der profanierten Kirche als Baumagazin wieder (Abb. 9). Weiter hat Beck einige Details von kunsthistorischem Interesse festgehalten, so die ehemals auf der Nordmauer aufgemalte spätgotische Marienkrönung und das Wandbild mit dem Martyrium des Hl. Sebastian (Abb. 10).
Die Baugeschichte liegt weitgehend im Dunkeln. Beim jetzigen Stand der Forschung scheint es, dass die Schriftquellen keine exakten Aussagen über die Baugeschichte der Kirche erlauben. Die Klosterkirche verlor mit der Reformation ihre liturgische Funktion. Das Chor musste schon wenige Jahre nach der Einführung des neuen Glaubens einem Profangebäude, dem Haus Zum Eckstein weichen. Das Schiff verwendete man, wie andernorts auch, als Speicher und Magazin weiter: die westliche Hälfte als Fruchtspeicher, den östlichen Teil als städtisches Bauamtsmagazin. Offenbar wurde darauf verzichtet, was z.B. mit dem Chor der Prediger- / Dominikanerkirche in Zürich (heute Teil der Zentralbibliothek) geschah.
2 Baubeschreibung
Im folgenden wird der zum Zeitpunkt der Reformation bestehende Bau beschrieben. Angaben zu einem älteren Zustand sind nicht möglich. Chronist Rüeger beschreibt um 1600 die Kirche: „eine schöne, grosse und wohl gebuwene kilchen gewesen.“ Weder Typ noch Gestaltung der Kirche lassen sich daraus erschliessen.Dagegen zeigen die Bilder der Kirche von Beck und Harder aus dem 19. Jh. eine Pfeilerbasilika mit Langchor und Lettner (Abb. 4, 5). Nach ihnen war die Klosterkirche eine querschifflose dreischiffige Basilika mit 7 Jochen (7 Paare oktogonale Pfeiler). Ein Lettner schloss das Chor zum Schiff hin ab. Die war Kirche ca. 60 m lang und 20 m breit.
Die Gestalt des Chores ist unbekannt. Es dürfte sich dem Typ der Franziskanerkirchen entsprechend um ein eingezogenes Langchor mit polygonalem Abschluss gehandelt haben. Ein spitzbogiger Triumphbogen trennte Chor und Langhaus. Dieses war dreischiffig und – nach Angaben Harders – siebenjochig. Oktogonale Pfeiler mit attisierenden Basen auf profilierten Sockeln trugen die spitzbogigen Arkaden. Die Bögen entwickeln sich direkt aus den Pfeilerschäften und den Wänden . Die gefasten Bögen sind beidseitig tief gekehlt. Die Pfeiler waren mindestens 5 m hoch, was bei einem geschätzten Interkolumnium von 5 m eine Bogenhöhe von ca. 3 m und damit eine Scheitelhöhe der spitzen Arkadenbögen von ca. 8 m ergibt. Die Firsthöhe des Mittelschiffes kann auf etwa 18 m geschätzt werden, entsprechend der Zeichnungen von Beck (Abb. 6) also weniger hoch als das heutige Stadthaus.Der massive Lettner war mindestens dreijochig. Er gehört der Gruppe der Kompartiment-Lettner an: auf Mauerscheiben ruhende Spitzbogentonnen trennten kapellenartige Nischen voneinander ab. Vermutlich im mittleren Kompartiment befand sich der Durchgang ins Chor, während in den übrigen Altäre standen. Fünf Altäre sind aus den Schriftquellen bekannt. Folgende vier Altäre standen wohl in der Kirche. 2 Marien-Altäre (erw. 1446), Dreikönig-Altar (erw. 1446), Bernhardin-Altar (erw. 1513). Der 1494 im Necrologium genannte, damals geweihte Michaels-Altar stand super basilicam. Welcher Ort damit gemeint ist, ist derzeit offen. Es dürfte sich aber um einen Platz in einem Obergeschoss handeln, wo die dem Erzengel Michael geweihten Altäre meist aufgestellt wurden.Das Südschiff wies zwei Eingänge auf (Abb. 8). Sie dürften den Laien offengestanden haben, während die Konventualen das Schiff vom Kreuzgang aus im Norden betraten. Die Westseite war vielleicht geschlossen. Die Ausgrabung in der Krummgasse scheint keine Hinweise auf einen Eingang erbracht zu haben.Die Gestaltung der Kirchenwestfassade ist unbekannt. Die beiden Langseiten dagegen sind auf den Zeichnungen von J.J. Beck zumindest ist in ihrem Schlusszustand gut erkennbar. Das Nordschiff wies wohl auf den Jochachsen Fenster auf, die sich aus drei gekuppelten lanzettförmige Spitzbogenfenster zusammensetzte; das mittlere der drei Fenster war jeweils überhöht. Die Südfassade war ähnlich gegliedert. Beck zeichnete in den Obergaden oculi ein (Abb. 7). Die auf den ersten Blick ‚ungotische’ Fensterform ist aber z.B. bei der Franziskanerkirche von Freiburg i.Ue. ebenfalls nachgewiesen.Über dem Mittelschiff bestand ein Satteldach; wann die bei Beck dargestellten Lukarnen angebracht wurden, ist offen. Die Seitenschiffe wiesen Pultdächer auf. Ein Dachreiter/Glockenjoch auf dem Schiffdach ist durch die 1532 erwähnte, damals auf den St. Johann-Turm versetzte Glocke anzunehmen – sofern sie nicht einem anderen Gebäudeteil entnommen wurde. Das Chor war wohl auch mit Satteldach gedeckt, dessen First sich vielleicht auf gleicher Höhe wie das Schiffdach fortsetzte.
3 Baugeschichte – Fakten und Hypothesen
Ob die eben beschriebene Kirche eine bauliche Einheit bildet oder Elemente verschiedener Zeitstellung vereint, ist nicht bekannt. Der Lettner wirkt gegenüber den Schiffarkaden eher archaisch. Während der Lettner noch im 13. entstanden sein könnte, deuten die Pfeilerbasen eher auf eine Bauzeit im 14. oder gar erst im 15. Jahrhundert. Ist das Schiff tatsächlich in spätgotischer Zeit entstanden, muss eine Vorgängerkirchekirche bestanden haben. Mit der Schliessung der Kirche im Jahr 1529 endet die Nutzung des grossen Gebäudes als Kirche. Es wird aber unterhalten, was die Neudeckung des Daches im Jahr 1538 eindrücklich belegt.
Doch 1543 setzte der schrittweise Abbruch der Kirche ein. Als erster Gebäudeteil musste das Chor weichen, an dessen Stelle das Haus Zum Eckstein trat. Der Innenansicht von Beck folgend dürfte der Chorbogen damals zugemauert worden sein. Das stehen gebliebene Kirchenschiff diente fortan als Lagergebäude: die westliche Hälfte als Fruchtspeicher, der östlicher Teil als städtisches Bauamtsmagazin. Dabei blieb es nahezu 200 Jahre lang.
1729 erfolgte der zweite Teilabbruch des Kirchenschiffes. Damals fiel die westliche, in die Krummgasse vorstossende Hälfte bis zur Innenflucht des Kreuzgang-Westflügels. In das Haus Zur Freudenquelle, das an die Stelle des abgebrochenen Schiffteiles zu stehen kam, sind Teile des Schiffes einbezogen. Gesichert ist dies für die Ostseite der Freudenquelle, wo noch heute Teile eines Pfeilers erhalten sind. Die Freudenquelle war zum Schiff hin vielleicht gar nicht befenstert, sondern wurde es erst nach dem Abbruch der östlichen Schiffhälfte im Jahr 1835/37. Der Abbruch von 1835/37 erfolgte, weil man für die 1838 ins Haus Zum Eckstein verlegte Mädchenschule einen Pausenhof benötigte.
4 Archäologie und Bauuntersuchungen bei künftigen Baumassnahmen
Sollten bei künftigen Baumassnahmen im Gebiet des ehemaligen Barfüsserklosters Bodeneingriffe erfolgen, müssen die Archäologen unbedingt vorgängig den Verhältnissen angepasste Sondierungen vornehmen, allenfalls eine flächige Grabung mit schichtweisem Abtrag durchführen können. Im Gebiet der ehemaligen Kirche bzw. auf der heute freiliegenden Fläche zwischen Stadthaus und Haus Zum Eckstein sind diese Abklärungen besonders wichtig. In dieser Zone sind bei günstiger Erhaltung noch bedeutende Reste des Schiffes, des Lettners und natürlich auch des nördlich anschliessenden Kreuzganges zu erwarten.Nebst Grabungen ist auch vor allem die Ostseite des Stadthauses bei Umbauten baugeschichtlich von grösstem Interesse. So wie es sich derzeit abschätzen lässt, stecken in der Ostseite des Stadthauses noch grosse Teile mindestens eines Kirchen-Pfeilers. Sollte der Verputz hier abgeschlagen werden, müsste die Fassade fachgerecht bauhistorisch untersucht werden (Fragen: wie hoch waren die Schiffe? War die Ostfassade des Stadthauses anfänglich nicht befenstert?). Wenn der Verputz jedoch genügt, wäre allenfalls im Zusammenhang mit anderen Untersuchungen im Klosterareal zu überlegen, ob hier nicht gezielt bauhistorisch begründete Verputzsondierungen angelegt werden könnten.
5 Anhang: Brandkataster 1817-1853
Die 1837 abgebrochene Kirche fand noch Eingang in das 1817 neu angelegte Brandkataster-Verzeichnis der Stadt Schaffhausen. Nach dem Abbruch der Kirche wurde die BK-Nummer bis 1854 wohl nicht mehr vergeben. Als 1854 ein neues Brandkataster-Verzeichnis erstellt wurde, ging die BK-Nr. 689 an das Haus Zur Tanne über.Die BK-Nummer ist auf dem im Museum Allerheiligen aufbewahrten Stadtplan (1:2000) von J.L. Peyer aus dem Jahr 1820 verzeichnet."