Auszug aus Faccani 2009 Abgegangene Bauten, 12-16:
"III Liegenschaft Krummgasse 12
Eigentümerin der Parzelle: Einwohnergemeinde Schaffhausen
BK-Nr.: 334
GB-Nr.: 212
1 Grundlagen
Das Haus Krummgasse 12 bildete die Nordwestecke des Barfüsserareals (Abb. 1–3). Es lag in der westlichen Verlängerung des Schwarzen Stiers und des Guardianhauses, mit denen es eine Einheit bildete. Ein Name für das Haus Krummgasse 12 ist nicht überliefert bzw. im Rahmen dieses Inventars nicht gesucht und deshalb auch nicht ausfindig gemacht worden.
Das Haus Krummgasse 12 erscheint wohl nur auf einer einzigen historischen Darstellung. Es handelt sich um die Ansicht des ehemaligen Klosterareals von Johann Jacob Beck (Abb. 6) aus der Zeit vor 1835/37. Hier ist vom Haus Krummgasse 12 nur der Ostteil zu sehen, eine Aufzugslukarne und ein gegen Norden abfallende Pultdach sind hier ausgebildet: auf den Plänen der Zeit um 1900 ist diese Dachlandschaft festgehalten.
Eine Häusergeschichte existiert im Stadtarchiv nicht. Ohne weitere Archivrecherchen, die im Rahmen dieses Inventares nicht zu leisten waren, sind nur Angaben ab 1817 möglich, als mit dem Führen des städtischen Brandkatasters begonnen wurde. Zusätzliche Recherchen in Rechnungsbüchern oder Ratsprotokollen dürften weitere Informationen erbringen.
Die bekannten Besitzer:
1613: Galle Zöllin[1]
1622: Galle Zöllin verkauft die Liegenschaft[2]
1817: Johannes Schalch, Schumacher
1846: Jacob Leu, Schneider
1877: Heinrich Roost, Bauführer, kauft das Haus den Erben des Jacob Leu ab[3]
1900: Stoll Wilhelm, Architekt und Hausammann Andolf, Architekt
1935: Stoll-Sterchi Bertha Margr., Interlaken
1958: Zwangsenteignung der Liegenschaft durch die Stadt, im gleich Jahr erfolgt Abbruch
2 Baubeschreibung
Die folgende Beschreibung fusst auf den im Stadtarchiv aufbewahrten Plänen von 1908. Es wird also dieser Zustand beschrieben, der aber jenem unmittelbar vor dem Abbruch 1958 entsprochen haben dürfte.
Der Hauptzugang lag auf der W-Seite (Abb. 14–16). Durch den Hauptzugang erreichte man die Treppe ins Obergeschoss. Ein zweiter Zugang bestand bis 1908 auch auf der Nordseite. Er öffnete sich in ein Ladenlokal. Im entlang der Brandmauer zur Liegenschaft Krummgasse 10 verlaufenden Korridor befand sich die Treppe ins erste Obergeschoss. Die Treppe vom ersten ins zweite Obergeschoss lag ebenfalls auf der W-Seite und scheint gewendelt gewesen zu sein.
Die Nordfassade (Abb. 12) ist dreigeschossig und weist drei Fensterachsen auf. Im Erdgeschoss drei beinahe quadratische Fenster über einem niedrigen Sockel. Im ersten Obergeschoss im Westen ein vierteiliger Fensterwagen, dessen mittlere zwei Fenster überhöht. Daneben zwei Fenster mit Mittelpfosten. Die Bänke der Fenster sind unten gekehlt. Im zweiten Obergeschoss westseitig ein dreiteiliger Fensterwagen mit überhöhten Mittelfenster. Daneben zwei Fenster mit Mittelpfosten. Im Osten auf der Seite des Schwarzen Stier ist das Dach mit einer Aufzugslukarne versehen.
Von der Westfassade existiert kein Aufriss. Nach den Grundrissen (Abb. 14–16) befand sich im Erdgeschoss auf der S-Seite der Eingang, daneben im Norden ein Fenster. Im ersten Obergeschoss öffneten sich zwei Fenster, gleiches ist auch für das zweite Obergeschoss zu vermuten. In der Giebelmauer sind weitere Fenster zu vermuten. Dies besonders auch deshalb, weil das Dach keine Lukarnen aufwies, die Licht in den Dachstock geführt hätten.
Zum Dach: Zuletzt bestand ein nach Norden zum Platz hin abfallendes Pultdach (Abb. 11–13). Es war offenbar nicht mit Lukarnen versehen. Die Aufzugslukarne war mit einem gegen Westen abfallenden Pultdach gedeckt.
3 Raumbuch
Wie bei der Baubeschreibung stützen sich die folgenden Ausführungen auf die im Stadtarchiv aufbewahrten Pläne von 1908 und von 1941.
In der Südwest-Ecke des Hauses bestand ein Keller, der nicht die ganze Hausfläche einnahm (Abb. 14). Er war flach gedeckt. Der Abgang in den Keller befand sich in der Südostecke. In der Südmauer war 1941 ein Durchgang zum Keller Krummgasse 10 geplant – ob er ausgeführt wurde, ist offen.
Der erhaltene Grundrissplan des Erdgeschosses von 1908 zeigt insgesamt sechs von einander getrennte Räume Abb. 15. Der Hauseingang befand sich auf der W-Seite und öffnete sich in einen langen Korridor. Ein beim Treppenansatz plazierter Windfang trennte einen westseitigen Vorplatz vom grösseren östlichen Korridorteil ab, an dessen E-Ende die Toilette installiert war. Vom Vorplatz gegen Norden gelangte man in ein als Vorraum bezeichnetes, nicht befenstertes Kompartiment, das nach Norden mit einem zweiten Raum in der Hausecke verbunden war. Kehrte man über den Vorplatz in den Korridor zurück, befand sich dort ein zweiter Durchgang nach Norden, der in ein geräumiges Lokal (6 x 5,5 m) führte.
1908 bestanden im ersten Obergeschoss sieben Räume (Abb. 16). Der Vorplatz bzw. das Treppenhaus mittig auf der Südseite an der Brandmauer Krummgasse 10. Hier war in der Südostecke eine Toilette eingebaut. Durch eine Tür in der Westseite des Vorplatzes gelangte man in den als Küche bezeichneten Raum. Die Tür in der Nordseite des Vorplatzes öffnete sich in einen Korridor, von dem aus man drei weitere Räume betreten konnte: Gegen Osten ein grosses Zimmer, gegen Norden ein weiteres Zimmer und die übereck gelegene Stube.
Für das zweite Obergeschoss und das Dachgeschoss liegen keine Grundrisspläne vor. Zumindest für das zweite Obergeschoss darf aufgrund der Befensterung der Nordseite eine Raumaufteilung angenommen werden, die jener im ersten Obergeschoss nahe war.
4 Baugeschichte – Fakten und Hypothesen
Haus Krummgasse 12 entstand mit grosser Wahrscheinlichkeit zusammen mit dem Schwarzen Stier und dem Guardianhaus im ausgehenden 13. Jahrhundert. (vgl. Dendrodaten von Schwarzem Stier und Guardianhaus). Zusammen mit diesen beiden Bauten bildete Haus Krummgasse 12 anfänglich den Nordtrakt des Franziskanerklosters. Die Dachkonstruktion ging zumindest im 14. Jahrhundert vom Schwarzen Stier ohne Unterbruch in die Liegenschaft Krummgasse 12 über, was die Dachbalken in der Brandmauer zwischen Schwarzem Stier und Krummgasse 12 eindrücklich belegen.[4]
Nach der Klosteraufhebung 1529 wurde der Kloster-Nordtrakt wie die übrigen Konventbauten parzelliert und im mittleren 16. Jahrhundert an Private verkauft. In diese Zeit dürfte die heute noch bestehende Dreiteilung des Kloster-Nordtraktes in Guardianhaus, Schwarzen Stier und Liegenschaft Krummgasse 12 zurückgehen. Da das Haus Krummgasse 12 im Jahr 1958 abgerissen wurde, sind über die Baugeschichte im Rahmen des vorliegenden Inventars kaum Aussagen möglich. Wir erfahren aus Brandkatasterbüchern und Plänen im Stadtarchiv folgendes: 1878, Heinrich Roost nimmt kleinere Umbauten vor, die sich im Brandkataster aber nicht niederschlagen.[5] 1908, in der Nordfassade werden im Erdgeschoss Zugang, mittleres Fenster und Nische vermauert; an deren Stelle traten zwei Fenster.[6] 1958, Abbruch der Liegenschaft,[7] seither Parkplatz.
5 Zusammenfassung
Die Bedeutung des 1958 abgebrochenen Gebäudes kann nicht beurteilt werden, da die nötigen Grundlagen fehlen. Da es aber Teil des Nordtraktes des Barfüsserkonventes war und zusammen mit Guardianhaus und Schwarzem Stier entstanden sein dürfte, ist der undokumentierte Abbruch zu bedauern.
Das 1958 abgebrochene Haus ist in Grundzügen zu rekonstruieren. Die Höhe ist bekannt, das Dach für den Schlusszustand als Pultdach nachgewiesen. Sollte auf der Brache ein Neubau errichtet werden, können zwei grundsätzlich verschiedene Wege eingeschlagen werden.
- Der Neubau hält sich an das bekannte, jüngste Volumen der Liegenschaft. Es könnten dabei die Stockwerke an den östlich anstossenden schwarzen Stier angeglichen werden, wobei zumindest für das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss eine der ursprüngliche Durchgängigkeit ähnliche Situation entstünde. Das zweite Obergeschoss und der geräumige Dachraum wären nicht mit dem Nachbarhaus verbunden.
- Der zweite, aus der Sicht des Bauhistorikers weniger geeignete Weg führt zu einem Neubau, der die historische Situation nur gerade in den Aussenfluchten aufnimmt, sonst aber ein eigenständiger Baukörper ist.
Schliesslich ist aus architekturhistorischer Sicht eher davon abzusehen, einen möglichen Neubau mit der südlich folgenden Liegenschaft Krummgasse 10 zu verbinden, denn bislang nahmen die beide Bauten nicht aufeinander Bezug.
6 Archäologie und Bauuntersuchungen bei künftigen Baumassnahmen
Bevor ein Neubau erstellt wird, müsste die Parzelle vorgängig archäologisch untersucht werden. Sollte der Neubau unterkellert werden, müssten die Aushubarbeiten archäologisch begleitet werden, eine Grabung vor allem auf der östlichen Parzellenhälfte dürfte dann nicht zu umgehen sein. Die Schichten sind hier wohl nicht gestört, da dieser Teil nie unterkellert war.
Beim Entfernen des Betonspritzputzes auf den Brandmauern muss eine Bauanalyse durchgeführt werden. Nur so kann man versuchen, die Bedeutung der heute rätselhaft und funktionslos erscheinenden Mauerabsätze zu klären, was letztlich auch für den Neubau relevante Resultate erbringen kann, z.B. das Wiederentdecken von Türen zu den Nachbarhäusern."
[1] StadtA SH, Häusergeschichte Krummgasse 10.
[2] StadtA SH, Häusergeschichte Krummgasse 10.
[3] Vgl. den Kaufvertrag im StadtA SH, Häusergeschichte Krummgasse 12.
[4] Siehe dazu das Detailinventar Schwarzer Stier / Guardianhaus.
[5] StadtA SH, Häusergeschichte Krummgasse 12.
[6] StadtA SH, Häusergeschichte Krummgasse 12.
[7] StadtA SH, Häusergeschichte Krummgasse 12.