Auszug aus Faccani 2009 Safrangasse 7, 22-23:
"V Zusammenfassung / Würdigung
1 Bedeutung des Gebäudes
Im Ensemble Stadthausgeviertes, das in Grundzügen auf das mittelalterliche Barfüsser-Kloster zurückgeht, stellt das Kerngebäude der Liegenschaft Zum Grossen Winkel einen wichtigen Zeugen dar. Derzeit darf vermutet werden, dass das gesamte Gebäude (ohne Pavillon der Zufahrt) mitsamt Dachstock noch aus der Klosterzeit stammt, ebenso zwei der vier Keller. Unter jüngeren Schichten sind zudem im Erdgeschoss auf der West-Seite Reste des mittelalterlichen Kreuzganges versteckt. Bis auf den Teil des Kreuzganges kennen wir die mögliche klosterzeitliche Funktion des Gebäudes aber nicht.
Der Grosse Winkel erfuhr nach der Säkularisierung des Klosters im Jahr 1529 wiederholt tiefgreifende Veränderungen. Es erhielt wohl bereits im 16. Jahrhundert die Funktion eines Handwerkerhauses, in dessen Erdgeschoss sich die Werkstätten befanden, während in den Obergeschossen gewohnt wurde. Wie auch in der Nachbarliegenschaft Zur Weltkugel sind für das innere Erscheinungsbild die barocken Umbauarbeiten entscheidend. Trotz jüngerer Eingriffe sind Ausstattungselemente des 18. bzw. frühen 19. Jahrhunderts erhalten, so die Stuckdecken im Erdgeschoss und einige vertäferte Zimmer, z.B. in der West-Wohnung des zweiten Obergeschosses. Erstaunlich ist weiter die Vielfalt an verschiedenen Türblättern und Türbeschlägen, die sich in der Ost-Wohnung des zweiten Obergeschoss findet. Insgesamt ist das Ausstattungsniveau aber vergleichsweise bescheiden. Zudem hat das erste Obergeschoss besonders stark gelitten, dessen Gestalt heute weitgehend durch die Umbauten der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts geprägt ist.
Zuletzt sei noch auf eine stadtweite Besonderheit hingewiesen. Sie stellt der Ladenpavillon mit den Jugendstilfliesen von 1909 dar.[1] Die an spanische Tradition erinnernde Ladenfassade ist wohl nicht zuletzt zu Werbezwecken vom damals hier ansässigen und tätigen Hafner Hablützel erstellt worden.
2 Bemerkungen zu Archäologie, Bauforschung und Dendrochronologie
Archäologie
Bodeneingriffe müssen archäologisch begleitet werden. Auf der Grundfläche der Liegenschaft kommen dabei hauptsächlich der Ostteil des Zufahrtweges und die kleine Fläche in der Nordwest-Ecke in Betracht, da sie noch nicht unterkellert sind. Bei diesen kleinen Raumflächen darf die Bodenforschung nicht auf kleine Sondierungen beschränkt bleiben, sondern es sollte nach Möglichkeit und bei gegebener Notwendigkeit die Fläche gesamthaft ergraben werden. Bei den Kellerräumen dürfte jeweils der gewachsene Boden bereits erreicht sein, was aber zuerst noch nachgewiesen werden müsste.
Bauforschung
Eingriffe am aufgehenden Mauerwerk müssen archäologisch begleitet werden. Beinahe jedes Geschoss weist Punkte auf, die von bauhistorischem Interesse sind und denen allenfalls bei Eingriffen am Mauerwerk nachgegangen werden könnte. Auf folgende Aspekte sei auszugsweise hingewiesen:
- Im Untergeschoss ist es vor allem der Keller 0.04, der durch seinen verwinkelten Grundriss und seine vielen Öffnungen noch manches Geheimnis bewahrt.
- Im Erdgeschoss muss den Räumen 1.10 bis 1.13 besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Während die Räume 1.12 und 1.13 früher Teile des Kreuzgang-Osttraktes waren – hier sind wohl auch klosterzeitliche Details freizulegen, besonders einfach möglich an der Aussenseite –, sind die beiden Räume 1.10 und 1.11 wohl seit dem ausgehenden Mittelalter nicht mehr umgebaut worden, was ihre Höhe anzunehmen nahe legt, die wohl auf den Kreuzgang bezug nimmt.
- Im ersten Obergeschoss sind die beiden Räume über dem ehemaligen Kreuzgang von Interesse: wie schon bei der Nord- und West-Seite des Kreuzganges interessiert auch hier die Frage, ob der Kreuzgang in spätgotischer Zeit – oder vielleicht auch schon vorher – Obergeschosse aufwies oder nicht.
Dendrochronologie
U.a. an folgenden Stellen könnten Holzproben für eine dendrochronologische Altersbestimmung entnommen werden.
- Raum 1.10, Decke: Die Hölzer der ältesten Decken-Phase könnten zeitgleich mit dem Dachstuhl datieren. Es wird aber auch hilfreich für die Aufarbeitung der Baugeschichte sein zu wissen, wann die Säule mit Sattelholz entstand.
- Dachstuhl: Er sollte beprobt werden um zu klären, ob er noch mittelalterlich ist (und zusammengeht mit Decke in Raum 1.10) oder aber erst nach der Klosteraufhebung (1529) entstand.
[1] Inventar der neueren Schweizer Architektur INSA, Bd. 8, St. Gallen, Sarnen, Schaffhausen, Schwyz, hrsg. Von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, S. 398.